Was ist Community Organizing?

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Das Ziel von Community Organizing ist es, viele Menschen zusammen zu bringen damit sie handlungsmächtig werden und gemeinsam Probleme in der Nachbarschaft und /oder darüber hinaus lösen können. Wenn Community Organizing in Kirchengemeinden oder in anderen lokalen Organisationen gemacht wird, dann meist mit dem weiteren Ziel, diese Organisation zu stärken indem mehr Personen aktiviert werden und sich in das Leben der Organisation einbringen. Community Organizing ist geprägt von den Werten wie Liebe, Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe; grundlegend ist weiterhin der Respekt für Diversizität in ethischer, religiöser oder anderer Hinsicht. Community Organizing lebt von den guten Beispielen und Erfolgen aus der 80 jährigen Tradition in den USA sowie den Erfahrungen, die in den letzten 20 Jahren in Europa und anderen europäischen Ländern gesammelt wurden.

Auseinandersetzung mit „Macht"

Da das vorrangige Ziel von Community Organizing ist, Menschen und Organisationen so handlungsmächtig zu machen, dass sie Probleme in der Nachbarschaft und darüber hinaus wirkungsvoll lösen können , ist für Community Organizing die Auseinandersetzung mit dem Verständnis und der Bedeutung von Macht grundlegend. Das Verständnis von „Macht" ist vielfach verkürzt und negativ. Im Community Organizing wird Macht dagegen als etwas Not-wendiges angesehen damit unsere wichtigen Werte von.Leidenschaft, Mitgefühl, Gerechtigkeit und Fairness ihre Wirkung in unserer Welt entfalten können. Macht zeigt sich in unserer Gesellschaft vor allem in zwei Formen: in Form von Geld und in Form von organisierten Menschen.

Wenn z.B. der Chef einer großen Firma den Bürgermeister einer Stadt sprechen will, ist es wahrscheinlich, dass der Bürgermeister ihn empfangen und fragen wird, wie die Stadt seiner Firma gegenüber hilfreich sein könnte. Der Chef der Firma symbolisiert die Macht des großen Geldes. Wenn dagegen ein Arbeitsloser, eine Obdachlose, ein älterer Mensch oder eine Migrant den Bürgermeister sprechen will, wird sie vermutlich kaum eine Chance haben, ihr Anliegen persönlich vorzutragen, geschweige denn, dass es ernsthafte Bemühungen geben wird dieses (Einzel-)Problem zu lösen. Wenn aber 100 oder mehr Menschen mit dem gleichen Anliegen ein Treffen mit dem/der BürgermeisterIn haben wollen, wird es wahrscheinlicher, dass sie Gehör finden, denn sie repräsentieren „Macht" in der Form von vielen Menschen/WählerInnen. Deshalb arbeitet Community Organizing daran möglichst viele Menschen zu aktivieren und zu beteiligen, damit gemeinsam Lösungen für Probleme der Nachbarschaft oder anderer Bereiche erreicht werden können.

I. Drei Schritte im Community Organizing Prozess

  1. Der Prozess beginnt mit Zuhören: Möglichst vielen Menschen/BewohnerInnen einer Region/ einer Nachbarschaft soll zugehört werden, um herauszufinden was Ihre Anliegen sind und was sie wirklich bewegt, welche Probleme sie sehen und welche Ideen und Visionen sie haben? Dieses „Zuhören" kann einmal durch persönliche Gespräche (Eins-zu-Eins-Gespräche) mit möglichst vielen Menschen aus dieser Region erfolgen. Zum Anderen Gespräche in kleinen Gruppen und Organisationen, die es bereits gibt. In beiden Fällen kommt es darauf an, die Menschen „offen" zu fragen, wie erleben Sie Ihre Nachbarschaft? Welche Probleme und Ärgernisse sehen Sie? Was könnte Ihr Leben in dieser Nachbarschaft /Region verbessern? Was würden Sie gerne ändern? Am Ende eines solchen Zuhör-Prozesses, der in der Regel 8 Wochen dauert, werden alle Interessierten zu einer Versammlung eingeladen. Dort werden die Ergebnisse vorgestellt, diskutiert und demokratisch entschieden welches die wichtigsten Probleme sind. Die Menschen werden eingeladen sich in Arbeitsgruppen zu engagieren, die dann für die Lösung dieser Probleme arbeiten.
    Warum ist dieser erste Schritt des Zuhörens so besonders wichtig für den Prozess des Community Organizings? Menschen werden aktiv und engagieren sich vor allem dann für die Lösung von Problemen, wenn es um Probleme und Visionen geht, die sie selber teilen und für wichtig halten. Außerdem bilden die vielen persönlichen Gespräche, die in dieser Phase geführt werden die Basis für eine zukünftige, gute Zusammenarbeit: wo persönliche Verbindungen entstehen, wächst Vertrauen, und Respekt bei aller Verschiedenheit! 
  2. Im zweiten Schritt des Community Organizings werden möglichst umfangreiche Nach-forschungen angestellt um verschiedene Lösungen zu den priorisierten Problemen und Visionen zu eröffnen. Öfter findet man bei diesen Erkundungen erfolgreiche Lösungsmodelle in anderen Städten, die auf die eigene Stadt/Nachbarschaft übertragen werden können. In diesem Prozess wird man auch andere Gruppen und Personen identifizieren können, für die die Lösung dieses Problems ebenso wichtig ist und die für die Zusammenarbeit zu gewinnen sind. Außerdem können dabei weitere wichtige Schlüsselpersonen aus Politik, Verwaltung oder anderen wichtigen Institutionen/ Organisationen entdeckt werden, die als Bündnispartner zur Problemlösung hilfreich sein können.
  3. Der dritte Schritt ist die Lösung der Probleme! Wenn die Aktiven, die freiwillig und professionell Tätigen, die notwendigen Mittel und Fähigkeiten haben um die Probleme selber lösen können, sprechen wir von Selbsthilfe - Lösungen. Oft reichen diese Fähigkeiten und Mittel jedoch nicht aus und die Politik, private Institutionen oder andere machtvolle Führungskräfte werden gebraucht um etwas bewegen zu können. Die aktiven Bewohner können sich mit diesen Schlüsselpersonen in großen öffentlichen Versammlungen oder in kleineren Verhandlungsrunden treffen. Regierende und Entscheider aus dem privaten Raum sind in der Regel eher bereit die Forderungen von Bewohner/innen/BürgerInnen ernst zunehmen, wenn sie die Stärke, die Einigkeit und die „Macht" der Betroffenen persönlich in einer großen Versammlung erfahren, als wenn nur ein paar VertreterInnen sich mit ihnen in einer kleinen Gesprächsrunde treffen.

II. Erfolge durch Community Organizing

Community Organizing Prozesse in den USA , in Deutschland und in Europa waren bereits er-folgreich ganz verschiedene Probleme zu lösen oder Infrastrukturen zu verbessern. Vor allem haben die Community Organizing Strategien immer wieder bewirkt, dass sich viele Menschen in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Kirchengemeinde oder in anderen Organisationen neu aktiv eingemischt und beteiligt haben.

III wichtige Prinzipien von Community Organizing

  • Eigeninteresse und persönliche Beziehungen sind der Schlüssel zur Aktivierung !
    Eine grundlegende Premisse im Community Organizing ist, dass Menschen sich dann in ihrer Nachbarschaft/ in ihrer Kirchengemeinde oder bei anderen Aktivitäten engagieren, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: Eigeninteresse und persönliche Beziehungen.
    Wenn es unser Ziel ist, mehr Menschen für eine aktive Mitarbeit in ihrer Nachbarschaft/ ihrer Kirchengemeinde etc zu gewinnen, dann müssen wir zunächst zuhören, was ihre Anliegen, ihre Visionen, was ihre Eigeninteressen sind. Zur gleichen Zeit ist es wichtig, dass wir persönoliche Verbindungen zu den Menschen aufbauen, die geprägt sind von Vertrauen und Respekt. Das ist der Grund, warum die „Eins-zu-Eins" Besuche bei den BewohnerInnen den Beginn jedes Organizing Prozesses markieren und das Fundament für die weitere Arbeit legen. Solche Besuche sind die wirkungsvollste Methode um die Eigeninteressen des Menschen kennen zu lernen und damit dieBasis für eine respektvolle, persönliche Beziehung und Zusammenarbeit zu legen.
  • Handeln mit und nicht für die Menschen
    Anders als in der traditionellen Sozialarbeit, legt Community Organizing den Schwerpunkt darauf, etwas zusammen mit den Menschen und nicht etwas für sie zu tun. Wenn wir etwas für Menschen tun, dann machen wir sie oft abhängig von uns und nehmen ihnen die Chance, ihre eigenen Fähigkeiten und Talente zu entdecken und zu nutzen. Wenn wir Dinge mit den Menschen tun, dann sehen wir sie an als Menschen mit einem wertvollen Erfahrungsschatz, mit Gaben und Talenten, die sie in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Kirchengemeinde, in ihrer Organisation einbringen können. Community Organizing legt den Schwerpunkt darauf, Menschen/ BewohnerInnen zu aktiv Beteiligten in allen drei Phasen des Problemlösungs-prozesses zu machen:
    beim Zuhören und beim Mitwirken am Entscheidungs- und Priorisierungsprozess ;bei den Nachforschungen zu den Lösungsmöglichkeiten und bei der Verhandlung mit denen, die die Probleme lösen können - sei es aus der Politik, der Verwaltung aus der Wirtschaft oder einer anderen Institution.
  • Die Unterstützung zum Aufbau von ehrenamtlich geleiteter, auf Dauer angelegter Selbstorganisation
    Community Organizing legt einen Schwerpunkt auf den Aufbau von dauerhaften Bürgerorganisationen, die in der Lage sind, eine breite Palette von Problemen zu lösen. Die Selbstorganisation ist wichtig um nachhaltig und dauerhaft Wirkungen zu erzielen und demokratische Teilhabe zu verwirklichen. Freiwiliige/Ehrenamtliche können sich auch dafür einsetzen Mittel zu akquirieren (Fundraising) , damit sie in allen Aspekten ihrer Arbeit von einer/m ausgebildeten Community Organizer/in beraten und unterstützt werden können.

IV. Weitere Informationen zu Community Organizing

Bücher:

  • Community Organizing : Menschen verändern ihre Stadt, Leo Penta, Hamburg 2007
  • Theoretische und Empirische Grundlagen des Community Organizing bei Saul D. Alinsky (1909-1972) – Eine Rekonstruktion, Peter Szynka, Bremen 2006
  • Anleitung zum Mächtigsein, ausgewählte Schriften von Saul D. Alinsky, Göttingen 1999
  • siehe auch: Handbuch Aktivierende Befragung, Konzepte, Erfahrungen, Tipps für die Praxis, Maria Lüttringhaus, Hille Richers (Hrg) Bonn, 2003

Internet:

Papier von Paul Cromwell: